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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 23.06.2008
Aktenzeichen: 8 W 255/08
Rechtsgebiete: UWG, ZPO, RVG-VV
Vorschriften:
UWG § 14 Abs. 2 Satz 1 | |
ZPO § 35 | |
ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1 | |
ZPO § 91 Abs. 2 Satz 1 | |
RVG-VV Nr. 7003 | |
RVG-VV Nr. 7005 |
Oberlandesgericht Stuttgart 8. Zivilsenat Beschluss
Geschäftsnummer: 8 W 255/08
23. Juni 2008
In dem Rechtsstreit
wegen einstweiliger Verfügung; hier: Kostenfestsetzung
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart durch Richterin am Oberlandesgericht Tschersich als Einzelrichterin gem. § 568 S. 1 ZPO
beschlossen:
Tenor:
1. Auf die sofortige Beschwerde der Verfügungsbeklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Stuttgart vom 22. April 2008, Az. 38 O 111/07 KfH, abgeändert:
Auf Grund des Anerkenntnisurteils des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 07. Februar 2008, Az. 2 U 94/07, werden die von der Verfügungsbeklagten an den Verfügungskläger zu erstattenden Kosten der ersten und zweiten Instanz festgesetzt auf 2.630,75 Euro.
2. Der weitergehende Kostenfestsetzungsantrag des Verfügungsklägers vom 12. Februar 2008 wird zurückgewiesen.
3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Im übrigen trägt der Verfügungskläger die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Beschwerdewert: 480 €
Gründe:
1. Der in .... ansässige Verfügungskläger nahm die Verfügungsbeklagte mit Sitz in ... im einstweiligen Verfügungsverfahren auf Unterlassung einer bestimmten Widerrufsbelehrung unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbsverstoßes vor dem Landgericht Stuttgart in Anspruch und begründete dessen örtliche Zuständigkeit mit § 14 Abs. 2 Satz 1 UWG. Danach sei es anerkannt, dass für Wettbewerbsverstöße im Online-Handel jedenfalls dann, wenn die Angebote sich an ein bundesweites Publikum richteten, der fliegende Gerichtsstand gegeben und damit jedes Landgericht zuständig sei.
In zweiter Instanz erging vor dem 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart gegen die Verfügungsbeklagte am 7. Februar 2008 ein Anerkenntnisurteil, Az. 2 U 94/07, mit dem dieser die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen auferlegt wurden.
Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 12. Februar 2008 verlangte der Verfügungskläger unter anderem jeweils Fahrtkosten von 180 € und eine Tage- und Abwesenheitspauschale von 60 €, insgesamt 480 €, für die Terminswahrnehmung in den beiden Instanzen durch seinen .... Rechtsanwalt am 3. September 2007 und am 7. Februar 2008. Er ist der Auffassung, dass es keinen Grundsatz gebe, wonach sich der Kläger bei der Auswahlentscheidung unter verschiedenen zuständigen Gerichten das billigste heraussuchen müsse.
Die Rechtspflegerin hat dem Antrag mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22. April 2008 in vollem Umfang entsprochen. Gegen die dem ... Beklagtenvertreter am 26. Mai 2008 zugestellte Entscheidung hat dieser am 29. Mai 2008 Beschwerde eingelegt wegen der zu Gunsten des Verfügungsklägers festgesetzten Reisekosten seines Rechtsanwalts. Er ist - wie bereits im Festsetzungsverfahren vorgebracht - der Auffassung, dass die Fahrtkosten und Abwesenheitspauschale nicht erstattungsfähig seien, weil der Verfügungskläger im eigenen Gerichtsstand in ... oder in dem der Verfügungsbeklagten in ... hätte klagen können. Wenn der Verfügungskläger sich aus taktischen Gründen für die Durchführung des Verfahrens vor dem Landgericht Stuttgart entscheide, könne er wegen des Grundsatzes der kostengünstigen Prozessführung die hierdurch entstehenden Reisekosten nicht beim Gegner geltend machen.
Die Rechtspflegerin hat nicht abgeholfen und die Akte dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
2. Die sofortige Beschwerde der Verfügungsbeklagten ist zulässig (§§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 568 ff ZPO, § 11 Abs. 1 RpflG) und in der Sache auch begründet.
Die Reisekosten und das Tage- und Abwesenheitsgeld (Nr. 7003 und 7005 Ziff. 3 RVG-VV) sind gem. § 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht erstattungsfähig, weil sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung durch den Verfügungskläger nicht notwendig waren.
Bei der Beurteilung der Erstattungsfähigkeit kommt es darauf an, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die die Kosten auslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Veranlassung als sachdienlich ansehen durfte. Die Partei darf ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen. Sie ist jedoch gehalten, unter mehreren gleichartigen Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen (BGH NJW-RR 2005, 1662; GRUR 2005, 84; MDR 2004, 539; NJW 2003, 898).
Nach der Entscheidung des BGH vom 16. Oktober 2002 (NJW 2003, 898) ist die Zuziehung eines am Wohn- oder Geschäftssitz der auswärtigen Partei ansässigen Rechtsanwalts regelmäßig als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig i. S. v. § 91 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbs. ZPO. Auch hat die klagende Partei verfahrensrechtlich unter mehreren zuständigen Gerichten die freie Wahl (§ 35 ZPO). Unter diesen Gesichtspunkten hat die Rechtspflegerin die Reisekosten des am Sitz des Verfügungsklägers in ... ansässigen Rechtsanwalts zum auswärtigen Landgericht Stuttgart als erstattungsfähig angesehen.
Die Ausübung dieses Wahlrechts kann aber zu kostenrechtlichen Nachteilen für den Kläger führen, wenn er unter Verletzung des Grundsatzes, unter mehreren gleichartigen Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen, nicht im eigenen Gerichtsstand klagt, sondern bei einem auswärtigen Gericht an einem dritten Ort, der auch nicht dem Gerichtsstand des Beklagten entspricht, und dadurch den Anfall von Reisekosten veranlasst.
Der Verfügungskläger war frei bei der Wahl des zuständigen Gerichtes. Wenn er sich aber nicht für den kostengünstigsten eigenen Gerichtsstand entschied, so hat er die dadurch verursachten Mehrkosten selbst zu tragen und kann sie nicht als notwendige Kosten der Rechtsverfolgung von seinem Prozessgegner erstattet verlangen.
Ebenso ist ein Kläger frei in der Wahl seines Rechtsanwalts. Er kann aber nicht die durch die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwalts entstehenden Mehrkosten geltend machen, wenn er im eigenen Gerichtsstand klagt. Für diese Fallkonstellation hat der BGH (NJW 2003, 901; zuletzt: WuM 2007, 207) gerade die Notwendigkeit der Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwalts verneint.
Auch hier wird das Wahlrecht nicht eingeschränkt. Seine nicht kostengünstige Ausübung führt aber zu kostenrechtlichen Nachteilen. Diese können nur ausnahmsweise entfallen, wenn die Beauftragung eines spezialisierten auswärtigen Anwalts notwendig erscheint, weil ein vergleichbarer ortsansässiger Rechtsanwalt nicht beauftragt werden kann.
Inwiefern für den Verfügungskläger die Auswahl des auswärtigen Landgerichts Stuttgart notwendig war zu seiner zweckentsprechenden Rechtsverfolgung ist nicht ersichtlich. Allein taktische Erwägungen reichen nicht, um von einer Ausnahme von der Pflicht zum kostengünstigen Verhalten ausgehen zu können.
Die geltend gemachten und von der Rechtspflegerin festgesetzten Reisekosten (Fahrtkosten und Abwesenheitspauschale) sind damit nicht erstattungsfähig (§ 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO). Auf die begründete sofortige Beschwerde der Verfügungsbeklagten waren deshalb der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss entsprechend abzuändern und der weitergehende Antrag des Verfügungsklägers zurückzuweisen.
Die Entscheidung ergeht gem. Nr. 1812 GKG-KV gerichtsgebührenfrei. Im übrigen hat der Verfügungskläger die Kosten des Beschwerdeverfahrens gem. § 91 ZPO zu tragen. Die Voraussetzungen für eine Kostenauferlegung auf die Verfügungsbeklagte gem. § 97 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
Ende der Entscheidung
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